Shapes of Diversity - 2004

Ein Kapitel aus dem Prequel - Jaguarkrieger
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Evan - 24 Jahre

Content Notes: 
Drogenkonsum, Tötung eines Tieres


»Evan? Geht es dir wirklich gut?«

»Natürlich tut es das.«

»Ich kenne dich so nicht. Jeden Tag eine andere Frau.«

Ich sah meinen Bruder an und musste lachen. Wenn er wüsste. Es war bei weitem nicht jeden Tag nur eine. »Du hattest bis jetzt auch keine Probleme mit Gabriela und Valentina.« Ich holte mir dabei eine Zigarette aus der Tasche und zündete sie an um einen tiefen Zug zu nehmen. Genüßlich atmete ich wieder aus, obwohl das Zeug wie bittere Medizin schmeckte.

Ich wusste, dass Thomas riechen würde, dass es mehr als nur Tabak war, aber es interessierte mich nicht. »Und du kommst ab und zu mit mir mit Abends, um deinen Spaß zu haben. Weil du mehr möchtest als die Beiden und weil du dich alleine immer noch nicht traust.« Diesmal behielt ich den Rauch so lange in der Lunge, wie ich es nur konnte. Das hatte mir der Dealer gesagt, wenn ich die volle Wirkung entfalten wollte.

Thomas ignorierte meine Aussage wegen den Frauen. »Du hast mich die letzten beiden Jahre regelrecht durch die Hölle getrieben, damit ich keine Drogen mehr nehme und jetzt nimmst du sie?«

Ich lüftete kurz meinen Hut, da es heute echt heiß war, sah aber dabei lächelnd auf den Boden, zuckte mit den Schultern und atmete langsam wieder aus. Ich dachte daran, wie ich heute morgen die Tochter von Juan-Felipe an die Wand gedrückt hatte um sie von hinten zu nehmen, während ich ihr den Mund zuhielt, damit sie nicht zu laut stöhnte. Das war nicht das erste mal und Angelina war sehr unartig.

»Evan!« 

Thomas klang sehr ernst, was mich amüsierte. Ich sah trotzdem hoch und direkt in seine Augen.

»Ich habe dich schon immer bewundert. Du bist immer ein gutes Beispiel für mich gewesen und du hast mir immer die Hand gereicht, wenn ich drohte abzurutschen. Ich denke, du brauchst jetzt meine.«

Ich hatte gerade einen weiteren tiefen Zug von der Zigarette genommen und musste lachen, was in einem Hustenanfall endete. Ich streckte ihm die Kippe hin und roch umgehend seine Erregung. Ich fühlte wie seine Hand zitterte, als er danach griff. Zu meinem Erstaunen ließ er sie fallen und trat sie mit seinem Schuh direkt vor meinem Gesicht aus, während ich immer noch hustete. 

Ich streckte mich, klopfte auf meine Brust, aber es ging langsam wieder. »Du hast der Versuchung widerstanden.« Ich war ernsthaft überrascht. So viel Willensstärke von meinem kleinen Bruder zu sehen, während ich meine eigenen Regeln missachtete.

»Ich würde sie am liebsten vom Boden kratzen um sie zu rauchen, aber ja, ich widerstehe. Ich habe nicht so hart an mir gearbeitet um rückfällig zu werden und du solltest damit auch aufhören.« Thomas machte eine Pause und atmete tief ein. »Was ist nur los mit dir? Du vögelst alles, was bei drei nicht auf dem Baum ist und nimmst irgendwelche Substanzen zu dir, obwohl du normalerweise nicht mal rauchen würdest? Mal ne Zigarre oder ein bisschen Alkohol zum abschalten, das kann ich alles verstehen. Wir machen uns ein schönes Jahr, aber jetzt? Ich erkenne dich nicht mehr.«

»Vielleicht bin ich nicht so gut, wie du es glaubst, kleiner Bruder. Vielleicht ist das hier mein wahres Gesicht.«

»Du vermisst Tina.«

Seine Worte waren scharf wie Papier an dem man sich schneidet. Es schmerzte nicht wirklich, aber ich fühlte regelrecht das Blut fließen. Ich habe seit Wochen nicht mehr an sie gedacht. Mir blieb die Luft weg. Meine Gedanken rasten. Ich hatte sie immer in meinem Kopf, seit ich mit ihr Schluss gemacht hatte. Sie oder meine Mutter im Wechsel. Ich habe beide aus meinen Hirn gevögelt. Und wenn ich gerade nichts ficken konnte, dann trank ich oder rauchte irgendwas illegales.

Ich starrte auf meine Handgelenke, als hätte mir Thomas die Pulsadern mit seinen Worten durchtrennt. Das Zeug wirkte, ich sah, wie mein Blut herausströmte und auf den Boden tropfte. Das rot war so lebendig, wie ich es noch nie gesehen hatte.

Ich beobachtete fasziniert, wie langsam etwas schwarzes aus meinen Handgelenken kroch und mit meinem Blut wie ein Wasserfall herabströmte. Es sah aus, wie dunkle Tentakel, die sich aus meinem innersten hervor kämpften, dann wurde mir urplötzlich schlecht.

Ich kippte nach vorne und Thomas hielt mich, während sich mein Mageninhalt über seine Brust verteilte. Er wich nicht aus, auch wenn ich seinen Ekel fühlen konnte. Ich konnte alles fühlen. Die ganze Luft um mich herum schien zu vibrieren. Die Bäume bewegten sich und schwangen zu einem Rhythmus das ich nicht hören konnte. Oder doch? Konnte ich Musik jetzt sehen? Die Luft vibrierte in bunten Farben des Regenbogens. Das Blut aus meinen Handgelenken erhob sich in die Luft und strömte gen' Himmel und wurde eins mit den bunten Farben der vibrierenden Atmosphäre. Ich ließ mich auf seine Brust fallen und Thomas umarmte mich, während ich meine Arme ausstreckte um meinem Blut beim davonfliegen zuzusehen.

»Fuck man, was war in der Kippe drin?«

Ich hörte seine Worte, ich verstand sie auch einzeln, aber sie ergaben keinen Sinn.

Das brillante Rot wurde immer schwärzer und formte sich mehr und mehr zu langen Schnüren, die sich wie ein Wurzelgeflecht ausbreiteten und den Himmel verdunkelten.

Ich konnte spüren, wie ich starb. Das Leben strömte aus mir heraus und raubte das Licht das Leben brachte. Alles würde mit mir sterben. Jede Pflanze und jedes Tier, denn ohne Sonnenlicht konnte nichts überdauern.

Meine Beine sackten weg. Ich war nicht mehr in der Lage meinen Körper zu kontrollieren und sah einfach nur zu, wie das Leben aus mir schwand. Wie ich verschwand.

Mein Bruder stützte mich mühsam ab und sagte irgendetwas, aber ich konnte nicht mehr hören. Ich konnte ihn nicht mehr hören. Ich hatte meinen Körper verlassen und sah jetzt dabei zu, wie er mich festhielt. Es wirkte, als wäre er mit meinem Körper eins. Aber ich war nicht mehr drin.

Ich sah mir dabei zu, wie ich unkontrolliert zuckte und speichelte. Wieso machte mein Körper das, wenn ich doch hier war? Oder war ich dort unten und das war nicht ich, sondern ich war die Umgebung? Die Bäume, der Himmel, die vibrierende Luft?

Ich fühlte, das mein Körper, das ICH, das nicht mehr ich war, blanker Panik ausgesetzt war. Aber das ganze hier fühlte sich seltsam vertraut an. Das eine gehörte nicht mehr zum anderen, trotzdem konnte ich das andere noch fühlen.

Ich sah die Stimme meiner Mutter, wie sie in bunten Farben über den Himmel zuckte, während die schwarzen Schnüre sich wie knochige Finger sich nach der vertrauten Melodie aus meiner Kindheit ausstreckten.

Plötzlich brach grelles Licht durch das immer dichter werdende schwarze Geflecht am Himmel, dass aus mir gekommen war. Es blendete mich, obwohl ich körperlos war, bis ich nichts mehr erkennen konnte, außer strahlendes, makelloses weiss. 

Ich konnte nichts mehr erkennen, nichts mehr hören, nichts mehr riechen. Ich atmete nicht mehr.


Mir war sehr warm und ich hatte stechende Kopfschmerzen. Beim Versuch meine Augen zu öffnen, zischte ich auf. Die Sonne blendete mich so schmerzhaft, das ich es nur stöhnend ertragen konnte.

Jemand sprang neben mir hoch und stürzte sich beinahe auf mich drauf. Ich wurde mit Küssen überhäuft und dabei versuchte ich mich mit meinen Händen zu wehren.

Eine liebliche Stimme ratterte einen Text auf spanisch herunter, was gerade viel zu schnell war, um es komplett mitzuschneiden. Es klang beinahe so, als könnte ich kein Spanisch sprechen. Ich wollte antworten aber die Worte kamen mir nur französisch über die Lippen: »Arrête! S'il te plaît arrête!«

Die Stimme erstarb, aber ich wusste nicht, ob sie mich verstanden hatte. Ich stöhnte nochmal und versuchte wieder meine Augen zu öffnen. Das Licht schmerzte immer noch, aber es ging. Wie versteinert klärte sich langsam die Silhouette von Angelina vor mir.

»Verdammte Scheisse.« Dieses Mädchen dachte jetzt wohl tatsächlich, ich würde mir irgendwas aus ihr machen, denn so langsam konnte ich ihren Wortschwall verarbeiten. »Lo lamento! Puedes traer a mi hermano?« Ich musste unbedingt Thomas sprechen. Ich hoffte, sie würde ihn einfach ohne weitere Diskussionen holen.

Etwas verstört sah sie mich an, ging dann aber wortlos aus dem Zimmer.

Ich setzte mich auf und hielt meine Hand an die Stirn. Beim umsehen entdeckte ich ein Glas Wasser neben dem Bett auf einem kleinen Beistelltisch. Dankbar griff ich danach und trank es aus. Mein Magen krampfte, und ich bereute es, das Glas so schnell heruntergekippt zu haben. Mir war furchtbar übel.

Was hatte ich mir bloß alles eingebrockt? Es reichte nicht, dass ich mir unbekannte Drogen in den Kopf schraubte, die mich hätten töten können. Nein, ich machte mit der Tochter meines Gastgebers herum bis sie sich in mich verliebte. Für mich war es nur Sex, aber es hätte mir klar sein müssen, dass sie gerade volljährig geworden war und von der Reife noch mehr Mädchen als Frau war. Sie verwechselte sexuelles Begehren mit Liebe. Deswegen mochte ich keine zu jungen Frauen. Aber es war mir die letzten Wochen egal. Ich hätte sie wohl auch gefickt, wäre sie erst 16 oder 17 gewesen. 

Was stimmte nur nicht mit mir? Das waren klare Prinzipien, die ich niemals überschreiten wollte, selbst wenn es nicht illegal war. Ich bin 24 und sollte wissen, dass es in meiner Verantwortung lag, junge Frauen oder gar Minderjährige nicht auszunutzen. Aber es war mir egal gewesen. Ich brauchte den Kick und Angelina hatte sich mehr als willig angeboten. Ich konnte nur hoffen, dass ihr Vater nichts ahnte. Das würde unserer Geschäftsbeziehung tüchtig schaden, wenn ich seine Tochter wie eine Hure benutzte.

Bilder blitzten vor meinem inneren Auge auf, wie sie unter mir keuchte und sich windete. Wie ihre schöne, sonnengebräunte Haut vor Schweiß glänzte und wie unglaublich geil sie sich anfühlte.

Wenigstens hatte ich Kondome benutzt. Hätte ich sie zusätzlich auch noch geschwängert, wäre daraus definitiv eine Tragödie geworden.

Meine Übelkeit verschlimmerte sich und ich hielt nach einem Eimer Ausschau, aber da war es schon zu spät. Das Glas Wasser kam mit etwas Magensäure im hohen Bogen wieder heraus.

Die quietschende Tür ließ mich vor Schmerz zusammenzucken. Es dauerte wieder einen Moment, bis ich erkennen konnte, wer hereingekommen war. »Ach Thomas, Gott sei dank, du bist es.«

Grinsend kam er auf mich zu und setzte sich auf den Stuhl, auf dem eben noch Angelina gesessen hatte.

»Vorsicht, ich war sehr freigiebig mit meinem Mageninhalt.«

Er sah sich um und zuckte dann mit der Schulter. »Nicht zum ersten Mal heute. War wohl ein harter Trip?«

»Du kannst es dir nicht vorstellen. Ich dachte ich wäre gestorben.«

»Nein, du hast dir zum Glück nur die Seele aus dem Leib gekotzt und dann geschlafen wie ein Murmeltier. Angelina hatte sich angeboten ein Auge auf dich zu halten, damit du nicht in deinem Erbrochenen erstickst.«

»Das erklärt warum nur Wasser hochkam und mir der Rachen so brennt.« Ich stöhnte und legte mich etwas bequemer hin. »Und das Mädchen. Gott ich bin so ein Narr.«

»Sie steht auf dich.« Thomas grinste noch breiter.

»Ja und ich hab es ausgenutzt. Ich bin so ein Arsch.«

Thomas sah erst etwas verdutzt aus der Wäsche, dann grinste er wieder. »Du hast sie? Oh verdammt, haben dir die ganze anderen Weiber nicht gereicht?«

Ich stöhnte und drehte mich auf die Seite. »Offensichtlich nicht.«

»Vielleicht brauchst du mal zur Abwechslung einen Mann?«

Ich sah meinem Bruder in die Augen und strich eine verklebte Haarsträhne zurück. Thomas verzog keine Miene, während er meinem Blick stand hielt. Dann musste ich lachen und er stimmte mit ein.

Als ich mich beruhigt hatte, sah ich ihn wieder ernster an. »Ich hab keine Ahnung, wie ich das wieder gut machen soll. Wenn sie es ihrem Vater erzählt, kann das schlimme Konsequenzen für das Geschäftliche haben. Und trotzdem würde ich bei der nächsten Gelegenheit ohne zu zögern erneut über sie herfallen.«

»Vielleicht wird es Zeit zu gehen.«

»Zurück nach Orlando?«

»Nein, nur weg von Juan-Felipe und seiner Tochter. Entschuldige dich bei ihr und gib ihr Geld oder noch besser. Kauf ihr teuren Schmuck, damit sie sich nicht wie eine Nutte fühlt. Das wird sie etwas über dich hinweg trösten. Sag mal, war sie noch?«

»Nein! War sie nicht mehr, zum Glück muss ich das nicht zusätzlich auf meine Kappe nehmen. Angelina ist definitiv alles, aber kein Engel.«

»Dann wird sie drüber hinweg kommen. Wäre etwas anderes gewesen, wenn sie dir ihre Unschuld geschenkt hätte.«

»Das macht die Situation nur marginal besser. Sie hat Hoffnungen.«

»Das kann man nun nicht mehr rückgängig machen. Sei ehrlich zu ihr. Es wird ihr das Herz trotzdem brechen, aber vielleicht nicht die Geschäftsbeziehung.«

»Da sprach der Weise Thomas, der ohne mich keine Frau ansprechen kann.«

»Und da liegt Evan, der Frauenheld, in seiner eigenen Kotze.« Er grinste wieder über beide Ohren und ich hatte das Bedürfnis ihn zu schlagen, aber hatte keine Kraft dafür aufzustehen. »Komm, ich helfe dir dich zu waschen und beziehe dann das Bett neu.«

Ich nickte und ließ mir von ihm hoch helfen. Meine Beine waren zittrig und mein Kreislauf noch nicht ganz stabil, aber daran war ich selber schuld, also musste ich durch.


Am nächsten Tag ging es mir deutlich besser. Besonders, da ich endlich wieder Essen und Wasser bei mir behalten konnte. Ich fuhr früh in die Stadt und kaufte den teuersten und elegantesten Goldschmuck, den ich in Bogotá finden konnte.

Zurück bei Juan-Felipes Haus suchte ich nach Angelina. Ich war mir nicht sicher, ob sie zuhause war, denn das Haus schien leer. Doch dann fand ich sie hinter dem Gebäude auf der Terrasse. Sie goß die Blumen und ich bat sie, mit mir aufs Zimmer zu kommen. Mit großen Rehaugen sah sie mich an, stellte die Gießkanne hin und kam aufgeregt mit. Ich schloss die Tür hinter uns und sie küsste mich, als das Schloss klickte und begann umgehend mein Hemd auszuziehen.

Ich schob sie sanft von mir weg, obwohl es mir enorm schwer fiel, denn meine Hose drückte bereits bei ihrer ersten Berührung.

»Angelina, ich kann das nicht. Bitte setz dich, ich muss mit dir reden.«

Etwas verstört musterte sie mich, folgte mit ihrem Blick meinem Finger und setzte sich aufs Bett, wo ich hinzeigte. Sie legte ihre schlanken Hände auf ihren Schoß, der vom kurzen Rock den sie an hatte, kaum bedeckt wurde und sah mich etwas besorgt, aber auch erwartungsvoll an.

Ich setzte mich neben sie hin, kramte in meiner Tasche und holte die Schachtel mit dem Schmuck hervor.

»Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe dich nicht fair behandelt und dir Hoffnungen gemacht, wo es keine gab. Gestern hatte ich eine spirituelle Erfahrung und mir wurde klar, wie falsch es war, was ich getan habe. Bitte verzeih mir und nimm dieses Geschenk als Entschuldigung an.«

Ich reichte ihr die Schachtel, die sie mit zittrigen Händen entgegen nahm. »Ein Geschenk?«

»Als Entschuldigung.«

Sie sah mir in die Augen. »Für was entschuldigst du dich?«

Ich seufzte etwas genervter als beabsichtigt. »Ich hätte mit dir nie schlafen dürfen. Das war falsch von mir. Ich habe meine Position und mein gutes Aussehen ausgenutzt und dir damit Hoffnungen gemacht. Es tut mir leid.«

Sie senkte ihren Blick und dachte nach. Ihre zarten Finger glitten über die kleine Schachtel, dann senkte sie ihre Hand und sah mir wieder in die Augen. Sie sagte nichts, aber ich sah die Tränen darin zittern.

»Angelina, ich wollte dir nicht das Herz brechen.«

Sie reichte mir die Schachtel zurück und wollte aufstehen. 

Ich hielt sie am Handgelenk fest. »Bitte nimm meine Entschuldigung an. Es ist das mindeste, was ich tun kann um meine Schuld zu begleichen. Du kannst es verkaufen und dir damit einen anderen Wunsch erfüllen. Bitte.«

Ihr Blick war abfällig und sie zog ihre Hand weg. »Du warst mein Traum. Ich hätte alles für dich getan.« Jetzt rollten ihr die Tränen über die Wangen.

Ich roch, dass sie gerade eher wütend als traurig war. Trotzdem wendete sie sich anmutig, wie sie immer war, von mir ab und verließ das Zimmer. Der erste Versuch war gescheitert.

Sie hatte recht, sie hätte wohl wirklich alles für mich getan, denn sie wusste genau, dass ich mir zusätzlichen Spaß geholt hatte und es war ihr egal. Und generell war sie wundervoll ruhig und unaufdringlich. Nur gestern hatte sie einen emotionalen Ausbruch, weil sie sich um mich gesorgt hatte. Aber selbst wenn ich nicht Rosa versprochen wäre, wäre ich dann mit Tina zusammen. Aber dann hätte ich sie wahrscheinlich nie berührt. Ich war ein unvernünftiger Vollidiot. Ich hab ganz bewusst darauf geschissen, was es für Gefühle in ihr auslösen würde. Natürlich machte sie sich Hoffnungen. Da kam der reiche Mann aus den Vereinigten Staaten, dem selbsternannten Nabel der Welt, nach Bogotá in ihr Haus. Und dann war ich auch noch jung, gutaussehend und unverheiratet. Die Gelegenheit für sie hier rauszukommen und etwas von der Welt zu sehen. Sie hoffte auf ein besseres Leben mit einem reichen Mann. Dabei hatte sie bereits ein sehr gutes Leben. Ihre Familie war wohlhabend und sie hatte die Möglichkeit auf Bildung und war auf keinen Mann angewiesen. Aber das Land mit den unbegrenzten Möglichkeiten verursachte oft unrealistische Hoffnungen von einem paradiesischen Leben, das es nicht gab.

Bevor ich sie erneut aufsuchte, ließ ich wenigstens eine halbe Stunde verstreichen. Ich war mir nicht sicher, wo sie war, folgte aber einfach meiner Nase und dann meinen Ohren. Wie ich vermutet hatte, war sie auf ihrem Zimmer und weinte. Ich fühlte nicht viel dabei, auch wenn ich wusste, das ich Mitleid empfinden sollte.

Ich klopfte.

»Fuera!«

»Hermosa Angelina, bitte nimm meine Entschuldigung an. Ich werde nicht weggehen.«

Wütend nuschelte sie Schimpfworte in ihr Kissen. Ich öffnete die Tür und sah sie im strahlenden Sonnenlicht vom Fenster, abgewendet von mir, auf ihrem Bett liegen. Sie umarmte ihr Kopfkissen und weinte nun um einiges leiser.

Sie hatte nur einen sehr kurzes, gelbes Top an, der ihren makellosen, flachen Bauch zeigte. Ihr Jeansrock bedeckte kaum ihren Hintern und ihr langes braunes Haar fiel geschmeidig über ihre Schultern. Sie war so unglaublich schön. Auch jetzt konnte ich kaum meine Gedanken ordnen und schweifte immer wieder zu Erinnerungen, wo ich ihren Körper überall geküsste hatte. Wie gerne ich sie mit meiner Zunge verwöhnt habe und wie gut sie schmeckte. Ich bereute für einen Moment, sie vorhin weggeschoben zu haben und nicht die Gelegenheit beim Schopf gepackt zu haben. Dann aber schämte ich mich für den Gedanken. Sie weinte wegen mir und ich dachte daran, das ich sie noch ein weiteres Mal hätte ausnutzen sollen. Warum war es nur so schwer das Richtige zu tun?

Ich seufzte, Schritt langsam zu ihr hin und setzte mich an das Fußende des Bettes. Ganz sanft streichelte ich ihr über den Rücken. »Es tut mir leid. Jedes schlimme Wort was du sagst, habe ich verdient.«

Sie drehte ihr Gesicht zu mir, wehrte sich aber nicht gegen die Berührung. Ihre Wimperntusche hatte sich durch die Tränen verteilt, als wäre der Versuch sich Smokie Eyes zu Schminken missglückt. »Warum bin ich nicht gut genug für dich?«

»Du bist gut genug, aber ich bin wem anders versprochen. Ich werde sie nach meiner Reise heiraten. Deswegen war es nicht richtig von mir, mit dir zu schlafen.«

»Du hast es aber getan.«

Ich senkte meinen Blick. »Richtig. Weil du wunderschön bist und ich ein verdorbener Mann, der seine Gelüste nicht im Griff hat. Es war nicht meine Absicht dich zu verletzen. Ich hätte dir vor dem ersten Mal sagen müssen, dass ich vergeben bin und es mit uns nicht mehr werden konnte, als ein Urlaubsflirt.«

»Ich hätte trotzdem mit dir geschlafen.«

Kurz zuckten meine Mundwinkel. »Aber dann aus der selben Intention wie ich.«

»Ja, weil du heiß bist. Dein Bruder ist auch heiß, aber er macht mir Angst.«

Ich lachte kurz auf. Wieso hatten die jungen Frauen immer Angst vor Thomas? Er war definitiv der nettere von uns beiden. »Willst du nicht mein Geschenk sehen?«

»Ich wollte es zuerst nicht, aber jetzt schon.« Sie setzte sich leicht auf und hob stolz ihr Kinn. Ich hätte sie zu gerne in diesem Moment geküsst.

Diesmal reichte ich ihr die Schachtel nicht, sondern nahm die Kette selber heraus. Ein passendes Armband lag noch darin. Diese ließ ich auf meinem Schoß liegen und rutschte vorsichtig an sie ran.

Als hätte sie es nicht anders erwartet, strich sie ihre Haare nach vorne und drehte ihren Rücken zu mir.

Vorsichtig legte ich die Kette um ihren Hals und machte sie in ihrem Nacken zu.

Wieder überkamen mich heftige Gefühle sie dort zu küssen und zu beißen. Ich hörte regelrecht ihr Stöhnen und fühlte, wie sie sich dabei unter mir gewunden hatte. »Fertig.«

Sie stand auf und ging zum Spiegel um sich darin eine Weile zu betrachten. »Du hast einen guten Geschmack.«

»Ich weiß, offensichtlich konnte ich dir deswegen nicht widerstehen.«

Die Schmeicheleien schienen ihr zu gefallen. Sie kam zurück zum Bett und setzte sich zu mir. Neckisch fiel ihr Haar in ihr Dekolleté und brachte die Goldkette mit dem Rubin richtig zur Geltung.

Nun hafteten meine Augen an ihren Brüsten, die nur spärlich bedeckt waren und ich fühlte, wie das Blut mein Gehirn verließ. Verdammt, warum musste sie so sehr meinem Geschmacks entsprechen?

Ich senkte meinen Blick und nahm das Armband aus der Schachtel. Sanft griff ich nach ihrem Handgelenk und legte ihr auch diese an.

Bei dem Gedanken, wie sie erschauerte, wenn ich mit meinen Fingern über die Innenseite ihres Handgelenkes strich, keuchte ich kurz auf. Warum war mein Sexualtrieb nur so stark? Ich begehrte sie so sehr und es war ein Kampf gegen unsichtbare Mächte, nicht umgehend über sie herzufallen.

Sehr bedacht zog sie ihre Hand weg, so das mein Daumen über die sensibelste Hautstelle streifte. Ich fühlte wie sie kurz erzitterte und musste dabei ein Stöhnen unterdrücken.

Sie bewunderte das Armband. »Ich nehme die Entschuldigung an.« Stolz sah sie mich an, ich konnte jedoch riechen, dass sie voller Wut aber auch Lust war.

»Du bist dir sicher, dass du die andere Frau heiraten willst?« Sie griff mir dabei fest in den Schritt.

Ich schloss die Augen und stöhnte, während ihre Hand über die Hose glitt, in der mein Penis anschwoll.

Ich keuchte. »Ja, das bin ich.«

Angelina rutschte näher an mich ran, nahm meine Hand und legte sie auf ihre Taille. Langsam führte sie die Hand hoch unter ihren Top und drückte sie auf ihre kleine, pralle Brust. Meine Finger glitten nacheinander über ihren harten Nippel und für einen Moment war ich nicht in der Lage klar zu denken. Ich wollte nichts dringender, als sie grob zu packen und so lange zu ficken, bis sie mich anbetteln würde aufzuhören. 

Mein Penis drückte schmerzhaft gegen meine Hose und ihre Hand stemmte sich ihm entgegen. »Angelina.« ich stöhnte »Bitte, ich kann nicht.«

»Dein Schwanz sagt etwas anderes.« Die reibenden Bewegungen ihrer Hand wurde intensiver.

Ich konnte mich nicht mehr dagegen wehren und packte sie grob am Hals um sie auf ihr Kissen zu drückte. Ich legte mich auf sie drauf und schob mein Gesäß zwischen ihre Beine. Erst als meine Hand meine Hose aufmachen wollte, realisierte ich wieder, was ich tat und hielt inne. 

Sie lächelte erwartungsvoll. »Vielleicht solltest du es dir doch anders überlegen?«

Wut stieg in mir auf. Wut über ihre Dreistigkeit und Wut über meine Unfähigkeit mich zu beherrschen. »Nein, werde ich nicht.«

Ich stieg von ihr runter, stand auf und verließ den Raum, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.

Kaum hatte ich das Gebäude verlassen, rannte ich los. Ich rannte die Straße runter und immer weiter, bis die offene Steppenlandschaft langsam verbuschte und die Bäume immer dichter standen. Ich hielt nicht an, bis ich tief genug im Wald war, so dass mich niemand mehr sehen konnte und riss mir dort die Klamotten vom Leib. Ich bremste kaum ab, während ich einen Schuh nach dem anderen von meinen Füßen streifte und dann die Hose auszog. Endlich war ich von allem befreit und sprang hoch in die Luft, um als Jaguar zu landen.

Zum Glück gab es noch andere Möglichkeiten, meinen Trieb zu befriedigen.

Ich hätte das viel früher machen sollen. Es war einfach unglaublich. Mein Geruchsinn und auch Gehör waren sowieso besser, als bei anderen Menschen. Aber als Jaguar war es, als wäre ich in eine andere Welt abgetaucht. Alles war so intensiv. So viele Geräusche und Düfte die auf mich einschlugen und meine Instinkte reizten. Düfte, die ich noch nie gerochen habe. Geräusche die ich noch nie gehört habe.

Ich kletterte den nächsten Baum hoch um Dampf abzulassen und gleich stoben mehrere Vögel davon. Genau wie damals als Kind testete ich einfach aus, was dieser Körper konnte. Ich sprang von Ast zu Ast, rutschte und krallte mich fest um weiter zu springen, bis einer der Äste brach und ich krachend ins Gebüsch fiel.

Dumpf schlug ich am Boden auf, war aber ausreichend durch das Gestrüpp gebremst worden. Es tat weh, aber es kümmerte mich nicht. Ich sprang auf und rannte durch den Urwald. Viele Insekten und Vögel kreuzten meinen Weg, die ich aufscheuchte. Ansonsten begegnete ich nichts Größerem, nichts Jagenswertem. Natürlich war ich auch laut und verschreckte vermutlich alles meilenweit, aber es ging gerade nicht anders, ich war zu geladen.

Wie von der Tarantel gestochen stob ich durch den Dschungel, kletterte mal einen Baum hoch um wieder herab zu springen und weiter zu rennen, bis ich eine Vollbremsung hinlegte.

Unangenehm rutschte ich eine Weile auf dem feuchten, laubbedeckten Boden und hielt nur wenige Meter vor dem Verursacher der Vollbremsung an.

Im Zoo war ich ihnen bereits begegnet, aber nicht genau dieser Art. Es war ein Tapir. Ein Tapir im Gebirge. Ich konnte meinen Augen kaum trauen. Das gewaltige, dunkle Tier mit der Körperform eines riesigen Wildschweines, starrte mich an und hob seine rüsselartige Nase. Es sah wie eine Drohgebärde aus, aber ich war mir nicht sicher.

Viele Gedanken stürmten gleichzeitig durch meinen großen Raubkatzenschädel. Sollte ich, sollte ich nicht? Er war so groß und schien gefährlich. Aber ich war gefährlicher. Jaguare konnten Alligatoren töten. Mein Kiefer konnte Schildkrötenpanzer mühelos knacken. Was war da schon ein Tapir? Er mochte schwerer sein als ich, aber niemals stärker.

Er schien definitiv auf Krawall gebürstet. Als ich einige Schritte langsam rückwärts ging, machte er erst zögerlich einen Schritt auf mich zu und rannte dann los. Also blieb ich stehen und erwartete seine Ankunft. Es hätte keine Sekunde mehr gedauert, dass er mich über den Haufen rennt, als ich zur Seite sprang und mich mit meiner Pranke in seinen Nacken festkrallte. Meine messerscharfen Klauen versenkten sich tief in seinem Fleisch und der Tapir kreischte auf. Er stürzte mit mir und schleuderte mit dem Schwung meinen Körper von sich. Ich flog unschön gegen einen Baum und brüllte vor Schmerz auf.

Nun war es endgültig vorbei mit meiner Vernunft. So schnell ich konnte, rappelte ich mich auf und sprang dem noch auf dem Boden zappelnden Tapir an die Kehle. Er versuchte nach mir zu beißen, aber ich drückte seinen Kopf mit meiner Pranke beiseite und schnappte direkt unter seinem Kiefer zu. Seine Hufe trafen mich immer wieder und zerschrammten mein Fell, aber mein Gebiss hielt eisern seine Kehle fest. Ich wehrte mich mit meinen Hinterbeinen gegen seine Tritte und zerfetzte seinen weichen Bauch.

Langsam begann der Tapir durch den Sauerstoffmangel zu Zucken und ich nutzte die Gelegenheit seiner Schwäche, ihn mit meinen Krallen gezielter zu bearbeiten. Es fühlte sich so gut an. Als würde ich meine Finger in sein Fleisch stecken und ohne Widerstand hindurchziehen. Der Duft seines dunkelroten Blutes benebelte mein Gehirn und ich wollte mich darin wälzen. Ich wollte die dampfende Hitze an meinem Fell spüren und es ablecken. Wenn Blut in meiner menschlichen Form nur wenig ansprechend war, gierte ich als Tier danach. Mein sexuelles Verlangen war weg. Ich hatte kein Leben geschaffen, sondern Leben genommen und es war nicht weniger süß.

Der Tapir erschlaffte und ich konnte endlich mein Maul öffnen. Außer Atem betrachtete ich das Tier aus der Nähe.

Ich hatte nicht nur seinen Kehlkopf vollkommen zertrümmert, zugerichtet von meinen Krallen war nichts mehr von seiner Anmut und seinem Stolz übrig. Sein Bild glich eher einem Massaker.

Das Blut floss nun nicht mehr, seit sein Herz stehengeblieben war. Ich leckte es von den klaffenden Wunden seiner Brust und knurrte genüsslich. Schnell riss ich dem großen Tier den Bauch vollständig auf und holte die Eingeweide raus. Ich musste meinen gesamten Kopf samt Schultern in den Tapir stecken, um an das Herz zu gelangen, dass ich mit einem Biss herausriss. Das köstlichste Organ eines Lebewesens. Genüsslich kaute ich darauf herum und entspannte mich bei der monotonen Bewegung meines Kiefers. Das Herz alleine reichte nicht, um mich zu befriedigen, also stand ich auf um mich weiter an seinem Fleisch zu laben. Bald gesättigt drückte ich mich schnurrend an den Kadaver und wälzte mich in seinem gestockten Blut. Es fühlte sich so verboten an, so falsch, so skrupellos, so abgrundtief böse. Es machte mich einfach nur glücklich. Dem animalischen Trieb gewissenlos nachzugehen war das befreiendste Gefühl der Welt.

Nachdem der Adrenalinkick vorüber wahr, fühlte ich die Strapazen, die ich meinem Körper angetan hatte. Ich stand auf und hinterließ meine Beute den restlichen Bewohnern des Waldes und machte mich auf den Weg zurück. Thomas würde sich sicher sorgen machen, mich nicht vorzufinden, wenn er von seinem Stadtbummel zurück kam.

Ich humpelte und es dauerte sehr viel länger die Strecke zurück zu legen als es auf dem Hinweg gedauert hatte. Meine Muskeln brannten bei jedem Schritt, trotzdem bereute ich nichts. Meine Lust auf Angelina war genauso verflogen wie meine Wut. Ich fühlte mich ausgeglichen und entspannt.

Endlich fand ich meine Hose, also konnte ich mich wieder zurück verwandeln. Ich stöhnte, da es doch um einiges mühsamer war, mich auf zwei Beinen zu halten, als auf Vieren. Als ich alle meine Sachen gefunden hatte, setzte ich mich in Ruhe hin um mich anzuziehen. Ich sah, dass meine Arme und Beine voller Blut waren. Meine Haare fühlten sich verklebt an und ich seufzte. Was würden jetzt die Leute denken, die mir auf der Straße begegneten? Aber ich konnte nichts daran ändern. Sollten sie doch glauben, was sie wollten. Es war mir einfach egal. Dieses befriedigende Gefühl mit Zähnen und klauen zu töten, konnte mir niemand mehr nehmen.


Es dauerte bestimmt über eine Stunde, bis ich endlich bei Juan-Felipes Haus angekommen war. Meine Haut war wund und voller Schrammen. Die Sonne brannte unbarmherzig darauf und die Kleidung scheuerte. Ich öffnete das Tor und humpelte auf die Terrasse. Thomas saß dort mit Juan und sie unterhielten sich. Er entdeckte mich als erstes und sein Mund blieb offen stehen. »Even, was zur Hölle?«

Ich grinste breit. »Alles gut, mir geht es gut.«

Juan-Felipe sprang auf. Er konnte gerade so noch den Stuhl festhalten, damit dieser nicht umkippte. Ich sah, wie sich seine Lippen kurz bewegten, aber er bekam keinen Ton heraus. Er war erstarrt vor Angst.

Ich sah nochmal an mir herab und dann wieder zu Juan. Den Grund seiner Angst konnte ich nicht erkennen. Das bisschen Blut war doch nichts.

Nun fand er doch seine Stimme. »Hat dich etwas enttäuscht? Habe ich etwas falsch gemacht?«

»Nein, wieso?« Ich zog mir einen Stuhl heran und setzte mich stöhnend.

Seine Furcht bohrte sich penetrant in meine Nase und sein Herz pochte so laut, ich hätte es noch im Wald hören können. »Juan-Felipe, beruhige dich und setzt dich wieder hin.«

Er schluckte schwer und gehorchte, starrte mich aber weiter mit weit aufgerissenen Augen an.

Thomas sah etwas verstört zwischen mir und Juan hin und her. Er verstand seine plötzliche Angst wohl genauso wenig wie ich.

Als wäre der Moment nicht verwirrend genug, kam Angelina aus dem Haus und rief nach ihrem Vater. »Papa, wir müssen reden.«

Etwas krächzend antwortete er seiner Tochter, ohne die Augen von mir zu nehmen. »Muss das jetzt sein, mein Sonnenschein?«

»Ja!« Sie kam aus der Tür, aber stockte bei meinem Anblick.

Ich grinste sie teuflisch an. Das könnte jetzt lustig werden.

Angelina zögerte kurz, aber dann kam sie erhobenen Hauptes zum Tisch und stellte sich neben ihren Vater. »Jetzt sieht er sogar aus, wie er sich mir gegenüber verhalten hatte. Wie ein wildes Tier. Vater, er hat mich belästigt.«

Juan-Felipe wartete auf meine Reaktion, bevor er seine Tochter anblickte. Ich zuckte aber nicht, sondern wartete grinsend, wohin das noch führen würde. Heute morgen hatte ich mir noch Sorgen gemacht wegen der Geschäftsbeziehung. Jetzt war es mir gerade scheiss egal.

Juan nahm zittern die Hand seiner Tochter, an dem das Armband von mir saß. »Du bist mein größter Schatz, aber Evan ist unser Gast.«

Angelina verzog wütend die Augenbrauen. »Vater, er hat mich geschändet!«

Ich lachte auf. Was hatte sie bloß für eine fantasievolle Wortwahl.

Juan-Felipe musterte mich nochmal, dann sah er wieder seine Tochter an und nahm auch ihre andere Hand. »Mein Herz, ich liebe dich. Aber wenn unser Gast dich begehrt, hast du es in Würde zu ertragen.« 

Mir wäre beinahe die Kinnlade heruntergeklappt. Bei Thomas war es schon soweit. Ich wusste echt nicht, wie ich reagieren sollte. Am liebsten wäre ich in schallendes Gelächter ausgebrochen. Besonders beim Anblick von Angelinas entsetztem Gesicht.

»Du erinnerst dich an die Geschichte vom Jaguar Krieger?«

Angelina sah verwirrt aus aber nickte.

»Wir tun alles, um seinen Zorn nicht zu entfachen. Du weißt, was geschieht, wenn sein Zorn ausbricht?«

Angelina starrte ihren Vater mit offenem Mund an. Dann sah sie langsam zu mir. Sie begann zu zittern und rannte ohne ein weiteres Wort zurück ins Haus.

Thomas glotzte hinterher. »Hab ich was verpasst?«

Ich konnte nicht mehr an mir halten und lachte los. Mir kamen die Tränen, so sehr amüsierte mich diese absurde Situation. Als ich mich endlich beruhigen konnte, sah ich Juan-Felipe an, der mich immer noch unsicher anstarrte. »Jaguar-Krieger?« Fragte ich ihn.

»Ich weiß, was dein Vater konnte und ich habe vermutet, dass du das auch kannst, aber bis jetzt noch keine Anzeichen dafür entdeckt. Es war kein Florida Panther, der ihn getötet hat?«

Ich schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Er zuckte zusammen. »Nein, das war es nicht. Aber ich bin nicht mein Vater. Ich werde dir und deiner Familie nichts antun. Nicht mehr, als ich schon getan habe.«

Ängstlich keuchte er: »Was…« seine Stimme brach weg. Er räusperte sich und beendete seinen Satz krächzend. »Was hast du getan? Geht es Maria gut?«

Ich lehnte mich auf dem Stuhl genervt zurück und strich über mein Gesicht. Beinahe kippte ich nach hinten um, dann setzte ich mich wieder auf. »Maria geht es bestimmt gut. Ich habe sie nicht angefasst. Aber mit deiner Tochter habe ich tatsächlich geschlafen. Jedoch ohne Zwang, sie wollte es auch. Es tut mir leid, das war trotzdem nicht richtig von mir.«

Juan-Felipe atmete erleichtert aus. »Und woher kommt das Blut?«

»Ich habe einen Tapir im Wald erlegt.«

Thomas sprang auf. »Es gibt hier Tapire?«

Juan drehte sich zu Thomas. »Ja, eine Bergart. Sie sind aber recht selten. Manchmal verirrt sich aber sogar einer hier den Weg hoch.«

»Das ist ja abgefahren. Evan, zeigst du ihn mir?«

»Ich glaube nicht, dass du sehen möchtest, was ich übrig gelassen habe. Schön ist etwas anderes.« Ich wendete mich wieder an unseren Gastgeber. »Juan-Felipe. Ich verspreche dir, ich werde weder dir noch deiner Familie jemals Gewalt zufügen und wenn es sich vermeiden lässt, auch niemandem sonst. Ich bin nicht José und ich will ihm auch nicht nacheifern. Ganz im Gegenteil. Ich will meine Wut in den Griff bekommen. Ich kann auch nicht immer in den Wald rennen und Tiere töten, wenn ich mit einer Situation überfordert bin.«

»War es wegen meiner Tochter?«

Ich nickte. »Sie entspricht nicht so ganz ihrem Namen.«

Juan seufzte. »Ich weiß, sie wickelt Männer gerne um den Finger. Sie weiß, wie gut sie aussieht und was sie beim anderen Geschlecht damit auslöst. Ich hatte damit gerechnet, dass sie es bei euch beiden, ganz besonders bei dir, ebenfalls versuchen wird. Sie möchte gerne weg aus Kolumbien.«

Ich lehnte mich zurück, senkte meinen Blick und grinste vor mich hin. »Und Ich hatte Angst, dass es unserer Geschäftsbeziehung schaden könnte.«

Juan war nun deutlich entspannter, wenn auch seine Angst noch nicht vollständig verflogen war. »Ich habe das Jahrelang mit deinem Vater ausgehalten, so eine Kleinigkeit bringt mich nicht aus der Ruhe.«

»Ich werde es trotzdem nicht mehr tun. Der Trip von gestern hat mir einiges deutlich gemacht, was falsch läuft und was ich bis jetzt ignoriert, oder mit Drogen und Sex übertüncht habe.« Ich legte meine Hand auf den Tisch und sah zu ihm hoch. »Ich brauche deine Hilfe.«

»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht.« Dann holte er mit zitternden Hände eine Schachtel Zigarillos aus seiner Tasche. »Aber erstmal muss ich eine rauchen.«